Predigt zum 7. Sonntag im Jahreskreis

Liebe Gemeinde,

Was ist die Realität? Eine steile Frage am Anfang.

Sie ist das, was wir sehen und hören. Denken und fühlen.

Was da ist. Oder was wir für möglich halten, z.B das schaffe ich.

Wie ist es mit dem Unmöglichen?

– Als schlechter Mathe-Schüler auf Note Eins zu pauken – so was ist unmöglich!

– Balingen in eine autofreie Stadt zu verwandeln, klingt auch unmöglich. Ein Traum, der aber Realität werden kann.

Die Bergpredigt im Evangelium träumt genau so, wenn sie von  Liebe – ja Feindesliebe spricht. Sie hält das Unmögliche für möglich und machbar. Indem sie konkret wird, ganz konkret:

Leihe dem KONKRETEN MENSCHEN, der dich darum bittet und halt diesem EINEN, der dumm kommt, die andere Backe hin.

Da geht es um eine Haltung, die sagt:

Ich bin zu diesem Nächsten in diesem Augenblick gut, auch wenn er unzuverlässig ist oder unsympathisch.

Ich denke nicht: Weil du nichts zurückgibst, geb ich dir nichts.

Oder: kommst du mir fies, komm ich dir auch so.

Das führt zu Dingen wie Hass-Mails oder Spaltung.

Hier kommt im Evangelium die „Goldene Regel“ zum Zug:

„Was Ihr von anderen erwartet, das tut ebenso auch ihnen.“

Das ist eine allgemeine menschliche Regel.

Sie gilt allen. Nicht nur Christen.

Für alle Menschen gilt auch, was da steht und manchen die Haare zu Berge stehen  lässt: die Feindesliebe.

Sie geht von der Goldene Regel aus und toppt sie noch.

Feindesliebe will ein Weg in die Freiheit sein:

Ich lasse mir von niemandem vorschreiben, wie ich reagiere. Eine Art menschliche Logik heißt: Aug um Aug, Hass um Hass, Leihen und Zurückholen um jeden Preis.

Frei ist, wer den konkreten Menschen, mit dem ich zu tun hab, nehme, wie er ist und sich verhält, nicht, wie ich das wünsche.

Da ist Liebe nicht nur Emotion, die heute so, morgen so sein kann.

Liebe macht etwas Unmögliches möglich und real: Ich nehme dich jetzt konkret wie du bist – wie ich mich und das Feindliche in mir annehmen darf,  versuch ich´s auch bei dir.

Das kann Menschen miteinander verbinden.

Wenn das alle Menschen können –

was ist das „Christliche“ an der Liebe, die  zu Feinden vorrückt?

– Dass Gott das Unmögliche möglich gemacht hat.

In Jesus hat er es  gelebt: Liebe bis ans Kreuz ist möglich.

Gott lässt Liebe regnen über Böse und Gute. Auch über Feinde.

– Wie ein Flussbett durchströmt uns Gottes Liebe, die sich in Jesu Auferstehung erhoben hat aus Tod und Feindschaft.  Sie prägt uns. Von allein.

Macht liebesfähig. Und verlangt Mut und Übung:

z.B. unsere Verflucher segnen, für unsre Übeltäter beten.

Nochmals zur Realität:

Wie ist das aber mit denen, die von sexualisierter Gewalt übel behandelt wurden: Für die Täter beten? Wissen, dass Gott für Gute und Böse da ist?  Frei sein und den Feind lieben?

Nicht so. Weil Liebe nicht zu Befehlen ist, sondern von innen wächst, richtig umsonst ist, aber auch Unrecht anerkannt und verletzte Freiheit stärken will, darf man Gott auch als Richter anrufen – der Liebe zum konkreten Menschen wegen.

In dem Sinn: Halten wir das Unmögliche für möglich und realistisch: Gottes unbegrenzte Liebe durch Zeit und Ewigkeit.

AMEN.

© Pfr. Wolfgang Braun