Predigt zum  Fest „Heilige Familie“

Liebe Familien, liebe Pfarrfamilie oder einfach liebe Gottesfamilie,

da haben wir es schon: was ist eine Familie, eine christliche Familie?

Es klingt einfach. Und ist es nicht:

– Zur Zeit des Alten Testaments hatten Männer wie Abraham schonmal mehrere Frauen.

– In der Kirchengeschichte war lange nicht wichtig, dass Frau und Mann sich lieben.

Sondern, dass Bauern oder Adlige standesgemäß zusammenkommen und dann die Kinder wieder.

– Es gab verschiedene Familien- und Lebensmodelle: Die Großfamilie, die gegenseitig ihre Kinder erzogen, kirchliche Internate, die Kinder erzogen.

– Schaut man auf Jesus, sagt er nur an zwei Stellen etwas zur Ehe, erst auf Nachfrage.

Über Familie redet er sehr kritisch:

* „Wer ist für mich Vater, Mutter, Bruder, Schwester?“

fragt er, als seine Familie sich vor dem Haus versammelt.

* Zum Jünger, der sich von daheim verabschieden will, sagt er:

Keiner, der die Hand an den Pflug gelegt hat,  taugt für das RG.“

Genau das ist es: Familie und Beziehungen sind relativ, d.h. sie beziehen sich auf Gott, seinen Willen, seine Gebote, sein Reich.

Auch das Evangelium heute bleibt dieser Ausrichtung treu:

Der 12-jährige Teenager Jesus begehrt auf, als ihn seine Eltern im Tempel finden. Er lässt sie wissen:

Hier bin ich daheim – bei meinem himmlischen Vater. Im Tempel.  Die Beziehung zu ihm zeigt mir den Weg, gibt mir Geborgenheit.

Es ist ein regelrechtes „Muss“ für Jesus, es ist seine Berufung.  Ich glaube, er versteht wirklich nicht, warum seine Eltern und andere so wenig konkret mit Gott rechnen und ihn erwarten.

Von da ausgehend gibt es verschiedene Modelle von Familien und Lebensgemeinschaften.

Das macht Familie, wie wir sie kennen, nicht überflüssig:

* Eltern schenken aus echter Liebe Kindern Grundvertrauen und Verlässlichkeit. Oft mehr durch Vor-Leben als Vor-Geben.

Sie vermitteln Werte für Eigenständigkeit und Zusammenleben. Diese Absicht betonen junge Eltern oft in Taufgesprächen.

* Eine christliche Familie rechnet konkret mit Gott und möchte aus   dieser adventlichen Beziehung mit Gott denken und leben.

* Das Gott-Vertrauen gibt sie an die Kinder weiter, indem sie es 1. lebt und erst 2. darüber spricht, lehrt, Gebete beibringt usw.

* Sie entdeckt Gott aber auch als Geheimnis, so wie Jesus in dieser  Bibelstelle auch geheimnisvoll erscheint. Denn die Beziehung zu  Gott ist eine Berufung, darum auch ein Prozess, ein Weg zum unbekannten Gott, den Kinder oft tiefer entdecken als Eltern.

* Eine christliche Familie begleitet Kinder in eine andere Familie, in der sich Jesus, das Kind, heimisch fühlte: in die Gottesfamilie; da, wo man Gottes Wille sucht und tut, wo man „Kind Gottes“ ist.

* Und weil das so ideal klingt: Eine christliche Familie findet sich in der „Heiligen Familie“ wieder, in der es durchschnittlich zuging:

# Das Kind kommt für Maria und Josef einfach zu früh

# durch die Flucht vor Herodes können sie sich nicht recht in ihre Vater- und Mutterrolle einüben.

# Ihr Glaube an Gott ist tief und trotzdem ganz anders als der Glaube des pubertierenden Jungen und auch des erwachsenen  Jesus.

# Der Weg Jesus ist richtig, endet aber im frühen grausamen Tod.

# Die besten Familien scheitern wie Jesus gescheitert ist – an Erwartungen, an Überforderung, an Täuschung und Enttäuschung, an Fehleinschätzung  und weil wir Menschen sind  und bleiben – wie Maria, Josef und selbst Jesus!

* Und trotzdem:  Jesus, der etwa 30 Jahre bei seinen Eltern in einem sehr  bescheidenem, monotonen Kleinstfamilienhaushalt im ganz normalen Familienwahnsinn groß wird – nimmt zu an Weisheit und Wertschätzung durch andere, wie wir es im Evangelium gehört haben.

So viel Gott in Jesus, so viel Mensch in ihm und seiner Familie.

Das zu feiern lassen wir uns auch dieses Weihnachten nicht nehmen.

AMEN.

© Pfr. Wolfgang Braun