Es gibt nur einen Gott – aber welchen Ein Text zum Nachdenken von Pfarrer Wolfgang Braun

Wer ist Gott? Die Frage ist uralt und für uns Gläubige existenziell.

Menschen haben in ihrer Geschichte viel über Gott nachgedacht. Sie haben ihn gedeutet, bestritten, erfahren und verschiedene Zugänge zu ihm entdeckt.

Die meisten Menschen machen sich Gedanken. Manche richtig philosophisch wie z.B. Thomas von Aquin, der meint: Wenn etwas geschieht, hat das einen Grund. Und das hat auch wieder einen Grund. So geht das weiter. Am Ende gibt es den Ur-Grund. Alles muss doch irgendwoher kommen sagen wir gerne.

Und umgekehrt folgt auf jedes Ereignis etwas anders – das letzte Ziel ist Gott.

Eine andere Deutung lautet: Gott ist völlig anders als alles, was es gibt und lebt. Er ist jenseitig. Über ihn können wir nichts groß wissen oder sagen. Jeder Vergleich stößt an Grenzen. Er ist nicht greifbar. Aber weil er ganz anders ist, gibt es ihn auch.

Was alle, die das lesen, beschäftigt: Was hat Gott mit unserer Welt und uns selbst zu tun? Greift er ein? Wie? In Krisen wie Corona wird die Frage drängend.

Eine Richtung meint: Gott hat die Welt erschaffen und überlässt sie dann ihrem eigenen Schicksal. Positiv gesagt: Es liegt an uns, mit der Welt und ihren Gesetzen zurecht zu kommen und unser Bestes vor den Augen Gottes draus zu machen.

Eine andere Position sieht Gott mit der Welt vollständig verbunden, sie bilden eine Einheit. Wie verschmolzen miteinander. Man kann Diesseits und Jenseits nicht mehr unterscheiden. (sog. Pantheismus)

Wieder andere kommen zur Überzeugung: Gott ist absolut anders und trotzdem ist er anwesend und zeigt sich in allem, was sich ereignet und lebt. Er greift in die Geschichte ein (Panentheismus).

Der moderne Mensch geht stärker von sich aus in dem Sinn:

Gibt es etwas im Menschen, das auf Gott hinweist? „Verrät“ unser Menschsein etwas über Gott? Ja, nämlich unsere Erfahrungen: Wir kommen auf die Welt – ungefragt. Wir müssen mit ihr zurechtkommen und sie gestalten. Wir haben Grenzen und müssen sterben.

Gleichzeitig suchen wir nach allem, was sinnvoll ist. Wir wollen gut handeln und richtig entscheiden. Wir „greifen“ regelrecht nach dem Großen, nach dem Jenseits, das hinter unseren Erfahrungen liegt: Wir machen gute Erfahrungen – „ich bin ganz im Glück“ und schlechte Erfahrungen – „ich bin am Boden zerstört“. Das weckt unsere Sehnsucht und entfaltet ein Gespür, dass hinter oder über allem das Beste lauert, Anfang und Ziel: Gott.

 

Ich persönlich verbinde das Nachdenken über Gott mit meinen Erfahrungen und natürlich mit den biblischen Vorstellungen von Gott:

Für mich ist Gott tatsächlich ganz anders. Jenseits. Unbegreifbar. Ein Geheimnis. Ich will es lüften wie jedes Geheimnis. Aber klar – das geht nicht. Das macht mich in der Regel demütig und weckt eine Art Respekt: Gott als Geheimnis hat etwas Zauberhauftes und Heiliges an sich wie ein Geheimnis, das ich nie lüften werde. Ich kann nicht über ihn bestimmen. So weit weg und geheimnisvoll, dass er mir schon wieder vertraut ist, sehr nahe. Ich erlebe oder deute Gott als Gegenwart, die alles  umhüllt, zumindest mit allem zu tun hat. Komisch, aber für mich ist das so: Wenn mir Gott fehlt oder schweigt, meine ich: Dann ist er erst recht da. Eben ein Geheimnis, das ich nicht herbefehlen kann. Wie viele schöne Ereignisse und Empfindungen auch. Wie beim Propheten Elija, dem Gott fern war und sich schließlich gezeigt hat „in der Stimme zarter Stille“ (1 Könige 19,12). So erinnert mich Gott: Ich selbst bin ein Geheimnis wie Gott: Ich kann nie ganz lüften, was ich für einer bin. Ich werde nie wirklich schlau, wo meine verschiedenen Gedanken herkommen, wer oder was meine Gefühle auslöst und was das alles zu bedeuten hat. Das gibt Demut und Respekt vor mir selbst.

Paulus bringt das in ein Gebet: „In dir leben wir, sind wir und bewegen wir uns.“

Als Christ beruhigt es mich: Ein gutes Stück hat Gott sein Geheimnis gelüftet und hat sich offenbart, gezeigt, sich selbst mitgeteilt, sagen Theologen: in Jesus Christus. Ich glaube tatsächlich oder versuche zu vertrauen, dass das ein Leben lang und darüber hinaus reicht, was Bibel und Menschen uns überliefern: „Gott ist die Liebe.“ (1 Joh.), er ist barmherzig, mütterlich und väterlich, Freund und Herr.

Ich bin einem Gedanken begegnet, der dazu passt: Gott ist ein Geheimnis, das wie etwas ist, das sich ereignet: zwischen mir und anderen, denen ich verständnisvoll und offen, eben in Liebe begegnen möchte. Zwischen uns, in der Begegnung, in der Gemeinschaft, „passiert“ Gott, teilt er sich mit, wird lebendig als Liebe und Barmherzigkeit in einem.

Ich werde mich weiter auf den Weg machen zu Gott: nah und fern; geheimnisvoll und offenkundig. In Gemeinschaft, in seinem Fehlen und im Vertrauen: „Gott ist die Liebe.“